25. November 2023
Vertreterversammlung der Landesärztekammer
Ende November kam die Vertreterversammlung der Landesärztekammer – das „Parlament der baden-württembergischen Ärzteschaft“ – zu seiner Herbstsitzung zusammen. Im Lagebericht informierte Kammerpräsident Dr. Miller über aktuelle Themen der Politik und der Gesundheitspolitik. Dabei war es ihm ein besonderes Anliegen, die Sorgen und Bedenken vieler Kolleginnen und Kollegen hinsichtlich der aktuellen Kriege im Nahen Osten und in der Ukraine zu teilen und klarzustellen, dass die Südwest-Ärzteschaft in Gedanken bei allen in Konfliktgebieten tätigen Ärztinnen und Ärzten sei, die in der Versorgung von Kriegsopfern extremen Belastungen und Gefahren ausgesetzt sind. „Ihnen gilt unsere besondere Solidarität“, so Dr. Miller. Ferner stelle sich die Ärzteschaft entschieden gegen jede Form von Rassismus, Diskriminierung, Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit (aktuelle Pressemitteilung der Landesärztekammer: siehe hier).
Im Inland müsse man sich über den Zustand des Gesundheitssektors – mit der schleppend vorangehenden und sich kompliziert gestaltenden Krankenhausreform, der schlechten Finanzsituation vieler Krankenhäuer, der ausgehungerten ambulanten Versorgung und der Misstrauensbürokratie seitens der Politik – ernstlich Sorgen machen. Den Delegierten versicherte Dr. Miller aber: Die ärztliche Selbstverwaltung sei stark und agiere geschlossen. Sie sei laut, werde wahrgenommen und suche mit Nachdruck das Gespräch mit der Politik, um die Situation zu verbessern. Die ärztliche Forderung: mehr Vertrauen – statt mehr Bürokratie und Kontrolle.
Anschließend stellte Dr. Miller das Leistungsspektrum der Kammer im ersten Jahr nach der Pandemie dar. Der Servicegedanke steht im Mittelpunkt der Kammerarbeit. Dabei sei das Leistungsspektrum größer geworden, gleichzeitig stiegen die Arztzahlen, die Zahl der Fortbildungen, die Weiterbildungsprüfungen, die Aufgaben in der Gremienarbeit und auch in der Öffentlichkeitsarbeit der Kammer. So würden im Bereich der Fortbildung mittlerweile fast 70.000 einzelne Veranstaltungen jedes Jahr angemeldet, geprüft und zertifiziert – eine große, verantwortungsvolle Aufgabe, um die Kompetenz der Kolleginnen und Kollegen „am Puls der Zeit“ zu halten. Zudem gehe es darum, neue, qualitativ hochwertige und zunehmend im online-Format durchgeführte Veranstaltungen zu entwickeln.
Im Bereich der Weiterbildung wende die Kammer ein gestuftes Verfahren an (Anträge und Beratungen in den Bezirksärztekammern, Weiterbildungsausschüsse, Vorstandsbefassung), das sich durch Kompetenz und Mitgliedernähe auszeichne.
Dr. Miller wies auch darauf hin, dass die digitale Infrastruktur der Kammer sicher sein müsse und professionell betreut werde. Der Internetauftritt habe sich mit Mitgliederportal (darin eingebettet: Managen des Fortbildungskontos, automatisierte Meldebescheinigung, Ilias-Lernplattform, eLogbuch und Weiterbildungs-Befugnisbeantragung etc.) zu einer echten Serviceplattform entwickelt, die den ärztlichen Berufsalltag enorm erleichtere.
Durch vermehrte Presse- und Rundfunkkontakte sei die Ärztekammer inzwischen zu einem gefragten Ansprechpartner in der Öffentlichkeit geworden; die Berufsvertretung aller Ärztinnen und Ärzte erfolge unter anderem auch auf diesem Wege. Dr. Miller bedankte sich bei den Delegierten in diesem Zusammenhang ausdrücklich dafür, dies alles in Gang gebracht und die Kammer damit zukunftsfest gemacht zu haben. Die Botschaft: Die Kammer war, ist und bleibt leistungsfähig und allen Herausforderungen gewachsen.
Auch auf die aktuelle Haushaltslage wies der Präsident hin: Die stagnierenden Einnahmen und die steigenden Ausgaben durch die Corona-Aufholeffekte, die zusätzlichen Aufgaben durch die Umsetzung der neuen Weiterbildungsordnung, die teils gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen in der EDV, zahlreiche neue Anwendungen und die Inflation machen selbst bei sehr sparsamer Haushaltsführung eine deutliche Erhöhung der Mitgliedsbeiträge notwendig.
Die Kammer müsse ihre gesetzlichen Aufgaben nach dem Heilberufe-Kammergesetz klar weiter erfüllen. „Ein Stillstand oder Rückschritt der Kammer wäre ein absoluter Bärendienst an den Kolleginnen und Kollegen“, machte Dr. Miller klar. Dennoch stehe die Kammer in einem ständigen Optimierungsprozess.
Sowohl vom Vorstand als auch vom Haushaltsausschuss, einem unabhängigen Organ innerhalb der Ärztekammer, wurde der Vertreterversammlung ein Beitragsfaktor von künftig 0,58 Prozent vorgeschlagen und nach einer ausführlichen Diskussion so beschlossen. Der Kammerpräsident hatte die enge Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamt bei allen Analysen im Vorfeld betont. „Den Verantwortlichen ist es alles andere als leichtgefallen, einen Haushaltsansatz vorzulegen, der eine so deutliche Erhöhung des Beitragsfaktors nach sich zieht.“ Die meisten Landesärztekammern hatten bereits in den letzten Jahren ihren Beitrag teils deutlich erhöht. Jetzt ist auch die Landesärztekammer Baden-Württemberg um eine Anpassung nicht mehr herumgekommen. Allerdings liegt der Beitragsfaktor nach der Erhöhung im bundesweiten Vergleich jetzt im Mittelfeld, keinesfalls an der Spitze der Belastung.
Die Beitragserhöhung hatte sich bereits bei der Vertreterversammlung im Sommer 2023 abgezeichnet. Die Rechnungsführerin im Vorstand der Landesärztekammer, Dr. Gisa Weißgerber, und der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Prof. Dr. Michael Faist, zeigten auf, dass sich die „Schere“ zwischen den Beitragseinnahmen und den Ausgaben in den letzten Jahren immer mehr verbreitert hatte. Gleichzeitig war der bisherige Mittelübertrag aus dem jeweiligen Vorjahr planmäßig abgebaut worden und liegt inzwischen bei Null.
Jetzt wurden auch der pauschale Jahresbeitrag für freiwillige Kammermitglieder von bisher 150,00 auf 250,00 Euro und der jährliche Höchstbetrag von 5.000,00 auf 6.000,00 Euro erhöht. Der jährliche Mindestbeitrag steigt von 40,00 auf 50,00 für Ärztinnen und Ärzte ohne ärztliche Tätigkeit oder wenn die Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit unter 10.000,00 Euro liegen. Da der Kammerhaushalt jährlich neu beschlossen wird, werden auch die Prozentsätze und Beträge im nächsten Jahr überprüft.
Weiteres wichtiges Thema war das Neubauvorhaben der Bezirksärztekammer Südbaden (gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg), über das die Präsidentin der Bezirksärztekammer Südbaden, Dr. Paula Hezler-Rusch, ausführlich berichtete. Der daraufhin endgültig beschlossene Erwerb eines weiteren zehnprozentigen Anteils an der Liegenschaft Sundgauallee 27 („Haus der Ärzte“) in Freiburg belastet den Haushalt der Landesärztekammer nicht, da die Kaufsumme aus den Eigeneinrichtungen der Bezirksärztekammer Südbaden finanziert wird. Als unabhängige Sachverständige konnte Dipl.-Kffr. Elgin Gorissen-van Hoek der Vertreterversammlung ein schlüssiges Finanzierungskonzept vorstellen, sodass die Delegierten schließlich grünes Licht für den Erwerb des zusätzlichen Grundstücksanteils gaben. Da der Neubau voraussichtlich erst im Jahr 2026 startet, belastet er den Haushalt der Landesärztekammer aktuell nicht.
Nach allen haushaltspolitischen Debatten und Entscheidungen machten die Delegierten von ihrer Möglichkeit Gebrauch, Forderungen und Resolutionen des baden-württembergischen Ärzteparlaments auf den Weg und damit in den (gesundheits-) politischen Diskurs zu bringen. Es zeigte auf diese Weise seine große gesellschaftliche Eingebundenheit – beziehungsweise dass das Einwirken auf Politik und Gesellschaft ebenfalls zum ärztlichen Aufgabenbereich zählt.
So forderte die Vertreterversammlung beispielsweise die Landesregierung auf, sich für eine Beschleunigung und Verbesserung der Anerkennung von Studienabschlüssen aus dem Bereich Humanmedizin aus Drittstaaten einzusetzen, um dem Ärztemangel entgegenzutreten. Ebenso wurde die Landesregierung unter anderem dazu aufgefordert, die Versorgungssituation von sogenannten papierlosen Menschen systematisch zu verbessern und bei der Novellierung des Landesrettungsdienstgesetzes das „Time-to-Treat“-Modell zu berücksichtigen, das statt „starrer“ Hilfsfristen und Ausrückzeiten auf das schnelle Erreichen einer qualifizierten medizinischen Notfall-Behandlung setzt.
Teil des gesellschaftlichen Engagements der Vertreterversammlung war es auch, alle Verantwortlichen in Politik, Gesellschaft und im Gesundheitswesen zur Intensivierung des Kampfs gegen die Klimakrise aufzurufen. – Die Südwest-Ärzteschaft geht hier schon mit sehr gutem Beispiel voran (www.aerztekammer-bw.de/klima). Darüber hinaus beauftragten die Delegierten den Vorstand, „dranzubleiben“ am Thema „Kinder- und Jugendgesundheit“ und sich weiterhin für eine dringend nötige Verbesserung der Versorgungslage einzusetzen. Auch hier ist die Kammer bereits intensiv eingebunden und im Austausch mit allen relevanten Akteuren.
Die Beschlüsse sind im Volltext auf der Website der Landesärztekammer Baden-Württemberg nachlesbar.