23. November 2025

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Ehrenamt tagte

Vertreterversammlung der Landesärztekammer

Blick in die Vertreterversammlung der Landesärztekammer Baden-Württemberg© Landesärztekammer Baden-Württemberg

Zwei Mal im Jahr tagt die Vertreterversammlung der Landesärztekammer Baden-Württemberg. Ihr Auftrag: Gesundheitspolitik im Sinne der Ärzteschaft mitgestalten, Entscheidungen auf den Weg bringen und die Standesvertretung zukunftsfähig halten. Die Herausforderungen sind vielfältig. Grund genug für die Delegierten, sich intensiv auszutauschen und wichtige Projekte anzustoßen. Ihre Debatten und Weichenstellungen liefern die Grundlage dafür, dass die Kammer unabhängig, verantwortungsvoll und überzeugend in allen gesellschafts- und gesundheitspolitischen Fragen auftreten kann.

Bericht zur aktuellen Lage

Zunächst verschaffte Dr. Wolfgang Miller, Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg, den Delegierten in seiner Rede einen Überblick über die aktuelle, alles andre als ruhige (gesundheits-)politische Lage. Flüchtlings-, Klima- und Coronakrise, Terrorismus und globale Bedrohungslagen hätten die Gesellschaft die letzten Jahre geprägt und sorgten für Verunsicherung. Viele seien „müde vom Kampf gegen Windmühlen, aber auch von der Bürokratie“. Dr. Miller nannte aber ein wirksames „Gegenrezept“: Anpacken statt abwarten, handeln statt klagen, gestalten statt erdulden.

Im Folgenden skizzierte der Kammerpräsident beispielhaft einige aktuelle gesundheitspolitische Herausforderungen und zeigte auf, inwieweit die ärztliche Standesvertretung bereits „mit angepackt“ habe und beim Erarbeiten von Lösungswegen helfe: So fordere sie unter anderem ein klares Ziel bei der Krankenhausreform, unterstützte junge Ärztinnen und Ärzte dabei, dass die Weiterbildung nicht aus dem Blick gerät und setze sich dafür ein, klinisch tätigen Kolleginnen und Kollegen bestmögliche Arbeitsbedingungen zu ermöglichen. Dr. Miller betonte: Die generelle Stoßrichtung der Krankenhausreform sei sinnvoll; adäquate Betreuung und Versorgung der Patienten müsse aber auch beim Investieren in leistungsfähigere Strukturen im Fokus aller Anstrengungen bleiben.

Auch das Thema „Herausforderungen durch neue Technologien – namentlich Künstliche Intelligenz (KI) im medizinischen Betrieb – sprach Dr. Miller an. KI könne Ärztinnen und Ärzte im Berufsalltag helfen und sie von unnötigen Prozeduren entlasten. Allerdings baue die Politik wieder viele unnötige bürokratische Hürden auf. So kämen beispielsweise abstruse und unnötige Fortbildungspflichten auf die Ärzteschaft zu. Dies dürfe man nicht so stehenlassen, und die Kammer sei mit den Verantwortlichen bereits im Dialog. Die Arzt-Patienten-Beziehung müsse allen neuen Technologien zum Trotz auch weiterhin der „zentrale Ankerpunkt der ärztlichen Arbeit“ bleiben, stellte Dr. Miller heraus.

Beim Fördern der Gesundheitskompetenz im Land sei die Ärzteschaft ebenfalls aktiv - auch und gerade, um den so stark geforderten Gesundheitssektor zu entlasten. Die Kammer werde nicht müde, eine bessere Verankerung des Themas an den allgemeinbildenden Schulen zu fordern. Es gehe darum, junge Leute frühestmöglich zu erreichen und ihnen zu zeigen, wie sie durch eine gesunde Lebensweise Krankheiten vorbeugen und fit bleiben könnten.

Möglich sei das gesundheitspolitische Engagement der Standesvertretung auch und vor allem durch den „kurzen Draht“ zu Abgeordneten und Ministerien. Die Stimme der Kammer und ihre Anliegen würden gehört und wahrgenommen - jüngst beispielsweise im Rahmen einer Landtagsanhörung zum Thema „Praktisches Jahr und faire Aufwandsentschädigungen für „PJ-ler“ (siehe hier).

Dr. Miller appellierte schließlich an die Delegierten, auch weiterhin mit Mut und „gemeinsam als Berufsstand“ in die Zukunft zu gehen. Die Ausgangslage sei günstig, schließlich sitze der Motor des Gesundheitswesens - also diejenigen, die täglich „anpacken“ - nicht „in den Büros der Kassen und Behörden“, sondern vor Ort bei den Menschen, die jeden Tag Patienten versorgen und Verantwortung übernehmen.

Delegierte zur Versorgungsanstalt

Turnusgemäß waren in der Sitzung die Vertreter der Landesärztekammer in der Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte zu wählen. Die Versorgungsanstalt ist fester Bestandteil der ersten Säule der Altersvorsorge in Deutschland. Ihr gesetzlicher Auftrag ist es, den Teilnehmenden im Falle der Berufsunfähigkeit und des Alters sowie ihren Hinterbliebenen Versorgung nach Maßgabe des Gesetzes und der Satzung zu gewähren. – Die Landesärztekammer entsendet insgesamt 30 Delegierte in die Vertreterversammlung der Versorgungsanstalt; die Wahlergebnisse werden in Kürze veröffentlicht. Darüber hinaus informierte die Präsidentin der Versorgungsanstalt, die Zahnärztin Dr. Eva Hemberger, die Anwesenden über Aktuelles aus ihrem Hause.

Haushalt der Landesärztekammer 

Wie in jeder Herbstsitzung der Vertreterversammlung nahmen die Finanzen der Landesärztekammer breiten Raum ein. Rechnungsführerin Dr. Gisa Weißgerber gab einen ausführlichen Sachstandsbericht zum Haushaltsjahr 2025 und informierte die Delegierten auch detailliert über die Bildung von Rücklagen, unter anderem für die Erstellung des Dienstgebäudes in Freiburg und für die Kammerwahl 2026. Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Prof. Dr. Michael Faist, präsentierte sachkundig und transparent die Haushaltsplanung 2026. Auf Basis aller vorliegenden Informationen beschlossen die Delegierten nicht nur den Haushaltsplan 2026, sondern auch, den Hebesatz für den Kammerbeitrag unverändert bei 0,57 Prozent zu belassen. – Es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass Kammermitglieder die Angaben und Nachweise zum Ärztekammerbeitrag schnell und unkompliziert per online-Verfahren über das Mitgliederportal übermitteln können.

Bereits 2022 hatten die Delegierten den Beschluss gefasst, Haushaltsordnung und -richtlinien zu modernisieren; Kammervorstand und Haushaltsausschuss waren mit der Umsetzung beauftragt worden. Jetzt lag den Delegierten ein entsprechender Vorschlag vor. Kammerpräsident Dr. Miller rief den Delegierten die Ziele der Neufassung in Erinnerung: Im Zentrum stand die Stärkung der eigenständigen Rolle der Bezirksärztekammern bei der dezentralen Wahrnehmung der ihnen übertragenen Aufgaben und der damit einhergehenden eigenständigen Planung und Verwaltung des dafür erforderlichen Mittelbedarfs. Außerdem ging es um die Verbesserung der Transparenz des Haushaltswesens sowie die Verbesserung der Grundlagen für die Entscheidungsfindung. Neben weiteren Zielen sollte auch eine vorausschauende Finanzstrategie mit wirkungsvollen Steuerungsinstrumenten sichergestellt werden, um den verantwortungsbewussten, wirtschaftlichen und sparsamen Umgang mit den Haushaltsmitteln zu gewährleisten. – Die Neufassung der Haushaltsordnung wurde von der Vertreterversammlung bestätigt; sie wird 2026 in Kraft treten, sodass erstmals der Haushalt 2027 auf der neuen Grundlage aufgestellt werden kann.

Darüber hinaus beschloss die Vertreterversammlung einige Detail-Änderungen bei Melde- und Gebührenordnung; diese Satzungen werden zu gegebener Zeit im Ärzteblatt Baden-Württemberg bekanntgemacht.

Entschließungen

Die Vertreterversammlung fasste zahlreiche Entschließungen, die wir hier nur stark verkürzt wiedergeben. Alle Beschlüsse werden jedoch demnächst im Volltext auf der Website der Landesärztekammer nachlesbar sein.

Katastrophenschutz: Das Land soll die ärztliche Selbstverwaltung in den etablierten Strukturen des Katastrophenschutzes berücksichtigen.

Krisenfälle: Land, Regierungsbezirke, Landkreise sowie Städte und Gemeinden sollen im Krisenfall auf die etablierten Strukturen der ärztlichen Selbstverwaltung zurückgreifen.

Fernbehandlung: Für Fernbehandlungen sollen rechtlich verbindliche Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Förderung von Transparenz: Es soll ein nationales und über Deutschland hinausgehendes Verzeichnisses approbationsrechtlicher Maßnahmen eingerichtet werden.

Cannabis: Die Änderung des MedCanG soll zügig beschlossen und umgesetzt werden.

Nichtraucherschutzgesetz: Der Landtag soll das Nichtraucherschutzgesetz ohne weitere Abstriche noch in dieser Legislaturperiode verabschieden.

Social Media: Der Gesetzgeber soll die Social Media-Nutzung regulieren und eine Altersbegrenzung einführen.

Psychische Erkrankungen: Psychiatrie, Psychosomatik, Psychotherapie und Abhängigkeitserkrankungen sollen beim nächsten Deutschen Ärztetag diskutiert werden.

Reanimationstraining: Kultus- und Sozialministerium sollen sich für ein verbindliches flächendeckendes Reanimationstraining an weiterbildenden Schulen einsetzen.

GOÄ: Der aktuelle GOÄ-Entwurf soll komplett veröffentlicht werden.

Arbeitszeiterfassung: Das Wissenschaftsministerium soll sicherstellen, dass die Universitätskliniken im Land die tarifierte elektronische Arbeitszeiterfassung umsetzen.

40-Stunden-Woche: Die Universitätskliniken und Zentren für Psychiatrie sollen ihre ärztlichen Stellenpläne an die neue tarifliche Regelung anpassen.

Arbeitszeitgesetz: Die die Landesregierung soll bei der nächsten Änderung des Landeskrankenhausgesetzes die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes aufnehmen.

ÖGD: Die Attraktivität des Öffentlichen Gesundheitsdienstes soll gestärkt werden; eine Studienplatzquote ist der falsche Weg.

PJ: Es soll ein Konzept zur Änderung der Krankheits- und Fehlzeitenregelung für Studierende der Medizin im Praktischen Jahr (PJ) entwickelt werden.

Investitionskosten: Die Landesregierung soll die Investitionskosten der Krankenhäuser vollumfänglich finanzieren.

Weisungsfreiheit: Es ist auf die Umsetzung der allgemeinen ärztlichen Berufspflichten, insbesondere die Weisungsfreiheit, bei ärztlichen Entscheidungen hinzuwirken.

Weiterbildungsstätten: Es soll sichergestellt werden, dass Krankenhäuser für junge Ärztinnen und Ärzte als Weiterbildungsstätten attraktiv bleiben.

Arbeitnehmerüberlassung: Zu prüfen ist die Erprobung einer Arbeitnehmerüberlassung für Ärztinnen und Ärzte in der sektorenverbindenden Verbundweiterbildung.

Ambulante Weiterbildung: Gefordert wurde die Gleichstellung von ambulanter pädiatrischer und allgemeinmedizinischer Weiterbildung gemäß § 75a SGB V.

Extremhitze: Gefordert wurde die Aufnahme von Hitzeereignissen in das Landeskatastrophenschutzgesetz.

ÖGD: Beide Leitungspositionen in einem Gesundheitsamt sollen mit einem Facharzt / einer Fachärztin für Öffentliches Gesundheitswesen besetzt werden.

PA: Im Positionspapier „Physician Assistant“ der Bundesärztekammer sollen die Grenzen delegierbarer Maßnahmen klargestellt werden.

Ersthelferalarmierung: Das Land soll sich für eine Harmonisierung der vorhandenen Smartphone-basierten Ersthelferalarmierungssysteme einsetzen.

Ersthelfersysteme: Das Innenministerium soll die Voraussetzungen für Smartphone-basierte Ersthelfersysteme möglichst praxisnah und patientenorientiert halten.

eHBA: Die andauernde und für die Ärzteschaft unzumutbare Situation bei Beantragung, Bereitstellung und Nutzung des elektronischen Heilberufsausweises wurde missbilligt.

Sprachförderung: Es soll bei der Landesregierung anfragt werden, ob ein Verzeichnis der Sprachförderkräfte in Kindertageseinrichtungen veröffentlicht werden kann.