10. November 2025
Zeit für neue Arbeitszeitmodelle
© Adobe Stock / lenets_tanDas Symposium „Zeit für neue Arbeitszeitmodelle“ der Bezirksärztekammer Nordbaden, organisiert vom Arbeitskreis „Ärztinnen/Ärzte, Beruf und Familie“, widmete sich Mitte Juli einem Thema, das im ärztlichen Alltag zunehmend an Bedeutung gewinnt: Wie lassen sich Beruf und Privatleben unter den Bedingungen des modernen Klinik- und Praxisbetriebs vereinbaren? Fünf Ärztinnen und Ärzte aus unterschiedlichen Fachrichtungen und beruflichen Positionen – von der Weiterbildung über die Oberärztinnenebene bis hin zur Leitung einer Abteilung – berichteten über ihre Erfahrungen mit alternativen Arbeitszeitmodellen, deren Chancen und Herausforderungen.
Im Mittelpunkt stand die Vielfalt der bereits praktizierten Modelle. Besonders hervorgehoben wurde die Teilzeitarbeit, die in vielen Kliniken inzwischen gängige Praxis ist. Sie wird häufig genutzt, um familiäre Verpflichtungen, wissenschaftliche Tätigkeit oder persönliche Auszeiten mit der Berufsausübung zu verbinden. Gleichzeitig wurde deutlich, dass Teilzeit in der Realität oft mit unveränderter Verantwortung einhergeht. Viele Ärztinnen und Ärzte erleben, dass sich die Arbeitslast nicht proportional zum Beschäftigungsumfang verringert. Eine Herausforderung, die strukturell bisher kaum gelöst ist.
Geteiltes Führungsmodell funktioniert
Ein weiteres Beispiel erfolgreicher Flexibilisierung war das geteilte Führungsmodell: Zwei Ärztinnen teilen sich eine leitende Position im Rahmen eines Job- oder Topsharings. Dieses Modell zeigt, dass Führung in Teilzeit funktionieren kann. Hierfür wird Rückhalt durch die Klinikleitung und eine klare Aufgabenverteilung benötigt. Solche Modelle tragen wesentlich zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Karriere bei, stoßen aber in hierarchisch geprägten Strukturen häufig auf organisatorische Hürden.
Großen Raum nahm das Thema Dienstplangestaltung ein. Planbarkeit und Verlässlichkeit gelten als Schlüsselfaktoren für die Zufriedenheit im Beruf. Eine Klinik stellte ein neues Schichtmodell vor, bei dem drei Teilzeitkräfte gemeinsam zwei Vollzeitstellen abdecken. Früh- und Spätdienste wurden so gestaltet, dass Betreuungspflichten besser berücksichtigt
werden können. Dieses Modell wurde im Rahmen einer Pilotphase erprobt und von den beteiligten Teams positiv bewertet. Es zeigte sich, dass durch kreative Planung und flexible Abstimmung auch in belasteten Bereichen Entlastung geschaffen werden kann.
Arbeit besser in den Alltag integrieren
Zudem wurde über die Möglichkeit diskutiert, administrative Aufgaben im Homeoffice zu erledigen, wie etwa das Schreiben von Arztbriefen. Einige Einrichtungen ermöglichen dies mittlerweile in begrenztem Umfang. Diese Flexibilität bietet Ärztinnen und Ärzten, insbesondere mit familiären Verpflichtungen, die Chance, Arbeit besser in den Alltag zu integrieren. Gleichzeitig wurde betont, dass Homeoffice klare Regelungen zur Arbeitszeiterfassung erfordert und nicht zu einer unbemerkten Mehrbelastung führen darf.
Ein weiterer Diskussionspunkt war die Idee, geplante Auszeiten (Sabbaticals) als festen Bestandteil ärztlicher Laufbahnen zu etablieren. Damit könnten längere Pausen von drei bis zwölf Monaten, etwa zur persönlichen oder familiären Neuorientierung, offiziell ermöglicht werden. Solche Modelle sind bisher selten, stoßen aber auf großes Interesse, da sie zur langfristigen Bindung an den Beruf beitragen könnten.
Arbeitsalltag spürbar entlasten
Von den Teilnehmenden kamen zahlreiche Rückmeldungen und Nachfragen. Besonders häufig wurde der Wunsch nach verlässlichen Strukturen und besserer Kommunikation geäußert. Mehrere Stimmen forderten, die technische Infrastruktur in Kliniken auszubauen, um digitale Dokumentationsprozesse und Homeoffice-Tätigkeiten zu erleichtern. Ebenso wurde auf den Wert von nichtärztlicher Unterstützung, etwa durch Arztsekretariate, hingewiesen. Ein sinnvoller organisatorischer Schritt, der den Arbeitsalltag spürbar entlasten kann.
In der Diskussion zeigte sich, dass flexible Arbeitszeitmodelle nicht nur eine Frage individueller Absprachen, sondern vor allem eine Frage der Haltung und der Führungskultur sind. Erfolgreiche Modelle entstehen dort, wo Leitungen und Teams gemeinsam nach Lösungen suchen, Verantwortung teilen und neue Wege zulassen. Zugleich braucht es strukturelle Anpassungen in Klinik- und KV-Regelungen, um Teilzeit, Jobsharing und planbare Auszeiten rechtlich und organisatorisch zu verankern.
Das Symposium verdeutlichte: Ärztinnen und Ärzte wünschen sich mehr Gestaltungsfreiheit, um Beruf, Familie und persönliche Bedürfnisse miteinander in Einklang
zu bringen. Teilzeit, Jobsharing, flexible Dienstpläne und Homeoffice sind keine Sonderwege mehr, sondern Bestandteile einer modernen Arbeitskultur. Für die Zukunft ist es entscheidend, dass diese Modelle nicht nur vereinzelt praktiziert, sondern flächendeckend ermöglicht werden. Damit das ärztliche Arbeiten professionell und lebensfreundlich gestaltet werden kann.
