02. Februar 2023

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Landeskogress Gesundheit

Wie kommt der Gesundheitssektor aus der Krise?

Blick in den Landeskongress Gesundheit 2023© Foto: Dr. Oliver Erens

Krankenhäuser und Arztpraxen arbeiten über der Belastungsgrenze, gehen in Bürokratie unter und stehen vor wirtschaftlichen Unsicherheiten. Fachkräfte wandern ab. Behandlungen geraten durch Sektorengrenzen ins Stocken – dies sind nur einige Krisen, die der Gesundheitssektor bewältigen muss. Wie geht es weiter? Wie kommen wir raus aus dem Krisenmodus? Das war das Thema des Landeskongresses Gesundheit 2023, der in seiner achten Auflage auf dem Stuttgarter Messegelände als Hybrid-Veranstaltung für großes Interesse sorgte.

Beim Fachgipfel trafen sich Vertreter aus der Ärzteschaft, aus dem Gesundheitsbereich, von Verbänden und aus der Politik, um zu diskutieren und Versorgungsstrukturen weiterzuentwickeln. Die hochkarätigen Referentinnen und Referenten gaben Einblicke ins Thema und regten zu Debatten an. Rund 300 registrierte Teilnehmer waren angemeldet, 60 davon schauten per Livestream zu. Der Schirmherr des Kongresses, der baden-württembergische Gesundheitsminister Manne Lucha, meldete sich per Videobotschaft.

Dr. Wolfgang Miller, Präsident der Landesärzteärztekammer Baden-Württemberg, fand zu Beginn ermutigende Worte: Die im Gesundheitssektor Beschäftigten seien krisenerprobt. Es gehöre zu ihrem Berufsalltag, mit ernsten Situationen konfrontiert zu sein und (lebens-) wichtige Entscheidungen zu treffen. Die Bewältigung der Corona-Pandemie habe alle Akteure des Gesundheitssektors enger zusammengebracht, man könne sich aufeinander verlassen. Das Gesundheitswesen mag somit zwar in der Krise sein, aber es ist stark und kann mit jeder Herausforderung umgehen, war die Botschaft des Kammerpräsidenten. Zukünftig brauche es eine gute Routineversorgung mit dem Blick für das Wesentliche und der Fähigkeit, Prioritäten zu setzen.

Hauptreferent Prof. Dr. Tom Bschor, Leiter und Koordinator der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung des Bundesgesundheitsministeriums, stellte Eckpunkte der Pläne einer kommenden Krankenhausreform vor – ein wichtiger Baustein der Krisenbewältigung. Prof. Bschor sprach über die angedachte Aufteilung der Kliniken in Leistungs- und Levelgruppen, um die stationäre Versorgung – vereinfacht gesagt – mehr zu spezialisieren und mehr nach Leistungsvermögen zu kategorisieren. Ebenfalls Thema waren die Pläne hin zu mehr ambulanter Versorgung und die Absicht, sich vom System der Fallpauschalen zu verabschieden. Kliniken sollen demnach feste Beträge als „Vorhaltekosten“ für medizinisches Gerät und Personal bekommen. Prof. Bschor betonte, beim Vorgestellten handele es sich (noch) um Pläne, die dann in den politischen Prozess gingen.  

Der neue Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW), Dr. Karsten Braun, stellte – wie zuvor Kammerpräsident Dr. Miller – in der anschließenden Diskussion klar: Der Gesundheitssektor sei zwar in der Krise, habe aber stets große Leistungsfähigkeit bewiesen. Die beiden Vorsitzenden der ärztlichen Körperschaften zeigten damit gemeinsam „klare Kante“. Dr. Braun lobte Ansätze der Krankenhausreform wie die angedachte Vorhalte-Vergütung, forderte aber auch, eine solche Vergütungsart in der ambulanten Notfallversorgung ebenfalls zu etablieren. „Auch dies ist eine Form der Daseinsfürsorge, die finanziert werden muss“, sagte Dr. Braun.

Ein weiteres Thema des Kongresses war die schwindende Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung. – Auch dies hat Anteil daran, dass das Gesundheitssystem „unter Volllast“ arbeiten muss. Prof. Dr. Mark Dominik Alscher, Geschäftsführender Ärztlicher Direktor des Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhauses und Vorstandsvorsitzender des Vereins Digitale Gesundheit Baden-Württemberg, referierte über digitale Gesundheitskompetenz – ein ebenfalls wertvoller Ansatz, um die Lage zu verbessern. Prof. Alscher sprach sich dafür aus, digitale Gesundheitskompetenz in der Fort- und Weiterbildung der Gesundheitsberufe zu verankern, und er stellte konkrete Projekte vor, um Health Literacy mehr in die Lebenswelt von Patienten und Bürgern zu holen. So beispielsweise durch einen „Digital Health Truck“, der Marktplätze ansteuert und es Bürgern ermöglicht, die im Fahrzeug aus- und vorgestellten digitalen Anwendungen selbst auszuprobieren.

Wichtiger Bestandteil des Landeskongresses waren in diesem Jahr wieder die World Café Foren: Die Kongressteilnehmer fanden sich in kleineren Runden zusammen und tauschten sich intensiv zu bestimmten Themengebieten aus. Landesärztekammer und KVBW waren mit je eigenem Forum vertreten. Die Themen lauteten: „Reagieren, bewältigen, Krisen vorbeugen: Dreiklang aus ärztlicher Sicht“ sowie „Krisenbewältigung im ambulanten Sektor“. Die Diskussionsergebnisse werden in die weitere Arbeit der Körperschaften einfließen.