21. Juli 2025
Gesundheitlichen Gefahren durch extreme Hitzeereignisse

Die Landesärztekammer Baden-Württemberg weist als Teil des baden-württembergischen Aktionsbündnisses gegen Hitze auf die besonderen gesundheitlichen Gefahren durch extreme Hitzeereignisse hin. Die aktuellen Zahlen des Deutschen Wetterdienstes belegen für Deutschland für 2024 einen Anstieg der jährlichen Tagestemperatur auf 10,9° C und eine Zunahme extremer Wetterereignisse.
„Es muss davon ausgegangen werden, dass zukünftig nicht nur mehrtägige Hitzewellen zu erwarten sind, sondern bei speziellen Wetterlagen auch sogenannte Hitzedome auftreten können. Diese wurden bereits mehrfach in anderen Regionen beobachtet und führen über längere Zeiträume zu extrem heißen Temperaturen“, betont Dr. Robin T. Maitra, der Klimaschutzbeauftragter Landesärztekammer.
Vor diesem Hintergrund findet am 23. Juli 2025 in Stuttgart ein ganztägiger Workshop mit rund 25 Fachleuten und Entscheidern aus dem Gesundheitswesen, dem Katastrophenschutz sowie aus Landesministerien und kommunalen Verwaltungen Baden-Württembergs statt. Veranstalter sind die Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit sowie die AOK Baden-Württemberg. Ziel des Workshops ist es, das Szenario „Hitzekatastrophe“ besser zu verstehen und konkrete Vorbereitungs- und Sofortmaßnahmen für Baden-Württemberg zu entwickeln.
Hitze beeinträchtige nahezu alle Organsysteme des menschlichen Körpers und könne vor allem bei sogenannten Hochrisikogruppen zu einer Erhöhung der Sterblichkeit oder zumindest zu erheblicher gesundheitlicher Gefährdung führen, so Dr. Maitra. Hiervon seien insbesondere ältere Menschen mit chronischen Erkrankungen wie Herz- und Nierenschwäche, Lungenerkrankungen, aber auch bei dementiellen Erkrankungen oder anderen chronischen Beeinträchtigungen der Gesundheit betroffen. Eine Vielzahl dauerhaft verordneter Medikamente beeinträchtige die Fähigkeit zur Thermoregulation und erhöhe die Vulnerabilität.
Auch Kinder und Jugendliche seien besonders gefährdet, zudem Menschen, die im Freien arbeiten und erhöhten Temperaturen ausgesetzt sind wie beispielsweise Zimmerleute, Erntearbeiter etc. Weiterhin seien Menschen mit geringen Einkommen, schwierigen oder prekären Wohnverhältnissen besonders betroffen.
„Neben den Gefahren durch akute Hitzeeinwirkung - Sonnenstich, Hitzschlag, Hitzekrämpfe etc. - kann es vor allem bei Patientinnen und Patienten mit vorbestehenden chronischen Erkrankungen zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes kommen: nachweislich kommt es in Hitzephasen zu mehr Herzinfarkten, Schlaganfällen, Dehydratationsfolgen wie Nierenschwäche, Verschlechterung von Lungenerkrankungen und vieles andere mehr“, so Dr. Maitra.
Es müsse davon ausgegangen werden, dass im Fall extremer Hitzeereignisse oder sogenannter Hitzedome eine deutliche Zunahme der Sterblichkeit wie auch der massiven Verschlechterung der gesundheitlichen Situation bei Menschen mit vorbestehenden chronischen Erkrankungen zu erwarten sind. Durch die extreme Hitze sei die ohnehin beeinträchtigte Erholung der Körperfunktionen weiter beeinträchtigt, die schiere Höhe der Temperaturen erschwere die Abkühlung. Erfahrungen aus anderen Ländern belegten, dass mit der Dauer einer extremen Hitze die Anzahl der Opfer steige.
Dr. Maitra betont: „Durch das zu erwartende massiv erhöhte Krankheitsaufkommen ist davon auszugehen, dass auch die Strukturen des Gesundheitswesens erheblich betroffen sein werden. Neben den akuten Hitzeerkrankungen werden eine Vielzahl von Menschen in ihrer Gesundheit beeinträchtigt sein und medizinischer Hilfe bedürfen. Während schon in den Phasen normaler Hitze eine erhöhte Inanspruchnahme des Gesundheitswesens bekannt ist, wird diese bei Extremhitzeereignissen noch drastisch ansteigen und die Kapazitätsgrenzen aller ambulanten Einrichtungen, insbesondere aber auch der stationären Strukturen überfordern. In der Folge ist davon auszugehen, dass auch die medizinische Regelversorgung von Patientinnen und Patienten erschwert ist. Aufgrund der ebenfalls von Hitze betroffenen Mitarbeitenden ist bei ohnehin dünner Personaldecke mit erheblichen Engpässen zu rechnen, zumal ja auch das medizinische Personal selbst unter der Hitze leidet.“
Als problematisch erweise sich die bisher nicht auf Hitzebelange ausgerichtete Katastrophenschutzplanung, die auch in Baden-Württemberg beispielhaft zum Tragen komme: Trotz vielfachen Anstrengungen lägen in vielen Landkreisen als Träger des Katastrophenschutzes noch keine regionalen Hitzeaktionspläne vor, die neben einer sektorenübergreifenden Versorgung der Bevölkerung im Hitzefall regeln sollten. Da extreme Hitze in der Regel nicht nur singuläre Landkreise betreffe, seien Alarmierungsketten erforderlich, die kreisüberschreitend und möglicherweise auch auf Ebene des Landes oder zumindest der Regierungspräsidien greifen. Gegebenenfalls müssten hierzu erforderliche Strukturen auch geschaffen werden, wobei auch die Frage der Kostenerstattung für Dienste, beteiligte Organisationen oder Personal aufgegriffen werden müsste, so der Experte.
Angesichts der drohenden, über die Zeit aber mit Sicherheit zu erwartenden Versorgungsprobleme im Falle einer extremen Hitzewelle sind aus Sicht der Landesärztekammer Baden-Württemberg erforderlich:
Erstellung beziehungsweise Umsetzung vorhandener Hitzeaktionspläne, gegebenenfalls Überarbeitung unter Bezug auf die Möglichkeit von Extremhitzeereignissen.
Dokumentation von regionaler Schutzeinrichtungen („Cool-Maps“)
Verbreitung von Informationen und Hitzematerialien im Falle extremer Hitze an besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen, ggf. Ermöglichung des Datenaustausches mit Sozialämtern und Krankenkassen
Schaffung verbindlicher Kommunikationswege zur ggf. kreisübergreifenden Alarmierung der erforderlichen gesundheitsrelevanten Stellen
Bereitstellung der erforderlichen Mittel für Aus-, Fort- und Weiterbildung und Schulungen zur gesundheitlichen Gefährdung bei extremer Hitze und mögliche Schutzmaßnahmen